Freiberufler in Zeiten von Corona: Probleme, Hilfen und Chancen
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Durch die Verbreitung des Coronavirus (offizieller Name: SARS-CoV-2), welches die infektiöse Atemwegserkrankung COVID-19 auslöst, sind momentan alle Bereiche des Lebens von den dadurch nötigen Sicherheitsvorkehrungen, Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverboten betroffen: Schulen und Universitäten sind geschlossen, Privatpersonen achten auf sogenannte „räumliche Distanzierung“ und viele Groß- und Mittelstandsunternehmen haben ihre Mitarbeiter ins Homeoffice oder in Kurzarbeit geschickt.
Gleichzeitig ist auch das öffentliche Leben größtenteils zum Erliegen gekommen – mit gravierenden Folgen für viele Freiberufler und Selbstständige: Geschlossene Theater, Restaurants und Bars etwa bedeuten für zahlreiche Erwerbstätige vorübergehende Beschäftigungslosigkeit und einen erheblichen Einkommensverlust für die nächsten Wochen und vielleicht sogar Monate.
Doch warum ist die derzeitige Lage für Freiberufler so schwierig? Welche Soforthilfen wurden von Bund und Ländern beschlossen? Und welche Chancen kann der aktuelle Stillstand eventuell beinhalten? Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns in diesem Artikel.
Was ist eigentlich ein Freiberufler?
Freiberufler, Freelancer, Selbstständige – diese Begriffe werden häufig verwechselt oder synonym gebraucht. Die berufliche Selbstständigkeit bezeichnet lediglich eine Form der Erwerbstätigkeit, die nicht an einen Arbeitgeber gebunden ist. Das zeigt sich etwa an der Selbstgestaltung von Arbeitsort und Arbeitszeit. Hierzu gehören auch Freelancer (auf Deutsch: freie Mitarbeiter), welche für einen oder mehrere Arbeitgeber Aufträge ausführen. Sie führen also Projektarbeit aus, ohne direkt in das Unternehmen eingegliedert zu sein, und schließen in der Regel zeitlich befristete Werk- oder Dienstverträge ab. Somit ist die Bezeichnung des Freelancers an die Form des Arbeitsverhältnisses gebunden, sagt aber nichts über die Natur der Tätigkeit an sich aus.
Entgegen gängiger Annahmen ist ein Freelancer daher nicht gleichbedeutend mit einem Freiberufler – so darf sich nämlich nur jemand nennen, der einen sogenannten Freien Beruf ausübt.* §18 EstG definiert dies als eine Tätigkeit, die aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich ausgeführt wird sowie künstlerischer, schriftstellerischer, unterrichtender, erzieherischer oder wissenschaftlicher bzw. technischer Natur ist. Das Einkommenssteuergesetz listet diese freiberuflichen Tätigkeiten in einer katalogartigen Liste auf, weswegen sie auch Katalogberufe genannt werden – hierzu gehören zusätzlich auch noch heilende sowie wirtschafts-, rechts- und steuerberatende Berufe, also z. B. Ärzte oder Anwälte. Es ist auch möglich, sich Freiberufler zu nennen, ohne auf dieser Liste zu stehen, sofern es sich tatsächlich um eine frei ausgeübte Tätigkeit handelt: Hier muss dann das Finanzamt entscheiden.
Freiberufler stellen also eine Untergruppe der Selbstständigen dar. Diese Unterscheidung ist steuerrechtlich von Bedeutung, denn Freiberufler müssen kein Gewerbe anmelden und sind somit von der Gewerbesteuer befreit. Auch entfällt die Bilanzierungspflicht. Dem gegenüber steht folglich die Gruppe der selbstständigen Gewerbetreibenden, z. B. Gastronomen oder Handwerker. In Deutschland gibt es etwa 4,1 Millionen Selbstständige, hiervon beschäftigen etwas mehr als die Hälfte keine Mitarbeiter und werden deswegen als Solo-Selbstständige bezeichnet. Freiberuflich aktiv sind mehr als 1,4 Millionen Deutsche.
Wer ist von der aktuellen Lage besonders betroffen?
Bei den Auswirkungen der Corona-Krise spielen solche formalen Unterschiede aber keine große Rolle. Ganz gleich ob Freiberufler oder Gewerbeschaffende, ob Kleinunternehmer oder Solo-Selbstständige: Die wirtschaftlichen Einbußen sind für alle enorm. Zwar ist nicht jeder in gleichem Maße betroffen, schließlich arbeitete ein beträchtlicher Teil aller Selbstständigen bereits zuvor im Homeoffice und muss sich zumindest in diesem Punkt nicht umstellen, und manche Berufsgruppen wie etwa Journalisten können ihre Arbeit häufig mit eher wenigen einschneidenden Einschränkungen fortführen.
Das gilt aber insbesondere nicht für diejenigen Freischaffenden, die ihren Lebensunterhalt in Zusammenhang mit dem nun stillstehenden öffentlichen Leben verdient hatten: Kulturschaffende und Künstler sowie Inhaber von Läden, Freizeiteinrichtungen und Hotellerie- bzw. Gastronomiebetrieben haben unter der aktuellen Lage schwer zu leiden. Nur Geschäfte wie Supermärkte, Apotheken oder Drogerien, die der Grundversorgung dienen, dürfen momentan offen bleiben. Das bedeutet: Restaurants, Cafés, Bars, Hotels, Kinos oder Theater liegen brach; auch Friseure, Massagesalons oder Nagelstudios haben wochenlang geschlossen.
Während große Unternehmen durch Kurzarbeit zumindest bei den Personalkosten große Einsparungen vornehmen können, haben Solo-Selbstständige diese Möglichkeit nicht. Auch können manche Konzerne zumindest einen Teil ihrer Einbußen womöglich wieder wettmachen, sobald das Coronavirus keine akute Bedrohung mehr darstellt: Der Kauf eines Autos beispielsweise wird wohl eher verschoben als gänzlich verworfen. Diese Möglichkeit existiert nicht, wenn das angebotene Produkt eine Dienstleistung ist. Das gilt auch für viele freie Mitarbeiter wie beispielsweise Grafikdesigner, PR-Berater oder Marketingbeauftragte, da Unternehmen in der aktuellen Lage deutlich weniger Aufträge verteilen.
Was für Kleinunternehmer und Freelancer am schwersten wiegt: Rücklagen sind meistens gering, manchmal gar nicht vorhanden. Schon ein mehrwöchiger Einkommensausfall kann dann existenzbedrohend sein. Das macht auch nicht vor vermeintlich privilegierten Berufsgruppen halt: So warnt etwa der Freie Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ) vor einer Insolvenzgefahr für viele Praxen. Während Krankenhäuser und Kliniken nämlich an allen Ecken mit Überbelegung und Überforderung zu kämpfen haben, ist bei Fachmedizinern, welche nicht überlebensnotwendige Gebiete abdecken, das Gegenteil der Fall.
Damit stehen sie nicht alleine – diese selbstständigen Berufe sind von der Corona-Krise etwa besonders betroffen:
Welche Hilfen wurden bereits in die Wege geleitet?
COVID-19 hat nicht nur alle Bürger, sondern auch die Regierungen von Bund und Ländern überrascht. Zwar wurden alle Belange der Corona-Krise an die oberste Stelle der Agenda gesetzt, wodurch bereits erste Maßnahmen umgesetzt oder vorbereitet wurden. Allerdings muss hier betont werden, dass sich viele Schritte noch in der Planungs- oder Diskussionsphase befinden und zudem nicht abzusehen ist, wie lange Freiberufler und sonstige Selbstständige noch mit signifikanten Einkommenseinbußen rechnen müssen. Somit ist es durchaus möglich, dass zusätzliche Hilfsangebote notwendig werden, z. B. wenn das bundesweite Kontaktverbot über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden muss – Betroffene sollten sich daher stets auf dem Laufenden halten, denn in der jetzigen schnelllebigen Zeit können gegenwärtige Beschlüsse schnell von aktuellen Entwicklungen und Maßnahmen überholt werden.
Einige Akuthilfen sind allerdings bereits beschlossen. Nachdem Ende letzter Woche der Bundesrat zugestimmt hat, soll ein „Sozialschutz-Paket“ zahlreiche Berufsgruppen entlasten. Das Gesetzesbündel beinhaltet ein Gros an Maßnahmen – am wichtigsten für Kleinunternehmer und Solo-Selbstständige: Der Zugang zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), umgangssprachlich Hartz IV genannt, soll erheblich erleichtert und unbürokratischer werden. Demnach erfolgt für Bewilligungszeiträume zwischen März und Juni keine Vermögensprüfung, zudem werden Miet- und Heizkosten vollständig übernommen. Damit sollen kurzfristige Einkommensausfälle abgefedert werden.
Darüber hinaus wird es vom Staat eine „Corona-Soforthilfe“ geben. Diese richtet sich an Klein- und Kleinstunternehmen sowie sonstige Selbstständige und Freiberufler. 50 Milliarden Euro sollen so verfügbar gemacht werden. Die Höhe des Bundeszuschusses, der nicht zurückgezahlt werden muss, soll für Unternehmen und Selbstständige mit bis zu fünf Beschäftigten bei 9.000 Euro, für Betriebe mit bis zu zehn Beschäftigten bei 15.000 Euro liegen.
Zusätzlich werden auch die einzelnen Bundesländer finanzielle Soforthilfen leisten. Die Details variieren zum Teil stark bzw. sind noch nicht vollends fixiert. Manche Länder wie Rheinland-Pfalz oder Sachsen vergeben nur Darlehen, die meisten Bundesstaaten setzen hingegen zusätzlich auf Geldspritzen, die nicht erstattet werden müssen. In den meisten Fällen können die Hilfen vom Bund und dem jeweiligen Bundesland kombiniert werden. Zudem unterscheiden sich die Zielgruppen der Hilfspakete, manche Länder haben etwa andere Regelungen für Künstler.
Hier drei Beispielfälle für Landessoforthilfen, die zusätzlich zum staatlichen Hilfspaket beansprucht werden können:
- Bayern bietet mittelgroßen gewerblichen Unternehmen eine weitere Finanzspritze an – diese muss dann nicht zurückgezahlt werden. Firmen mit 11 bis 50 Beschäftigten erhalten 30.000 Euro, Firmen mit 51 bis 250 Beschäftigten 50.000 Euro.
- Hamburg zahlt eine Soforthilfe in Höhe von 2.500 Euro (Solo-Selbstständige), 5.000 Euro (weniger als zehn Beschäftigte), 25.000 Euro (bis zu 50 Beschäftigte) bzw. 30.000 Euro (bis zu 250 Beschäftigte), die nicht zurückgezahlt werden muss. Der Zuschuss richtet sich an kleine und mittlere Betriebe sowie an Freiberufler. Obendrein muss nachgewiesen werden, dass ein „existenzbedrohlicher Liquiditätsengpass“ besteht, z. B. wenn Umsatz oder Aufträge durch die Corona-Krise um mindestens 50 Prozent gesunken sind.
- Rheinland-Pfalz stellt ein Sofortdarlehen bereit. Dieses beträgt 10.000 Euro (Selbstständige mit bis zu fünf Beschäftigten sowie Unternehmen mit bis zu 10 Beschäftigten) bzw. 30.000 Euro (Unternehmen mit bis zu 30 Beschäftigten). Die Laufzeit beträgt sechs Jahre, zudem ist der Kredit bis Ende 2021 zins- und tilgungsfrei.
Für viele ebenso wichtig: Seit dem 25. März 2020 sind Gesetze aktiv, die zwischen April und Juni eine Kündigung der eigenen Wohnung und von Gewerberäumen infolge von coronabedingten Geldeinbußen verbieten. Die Mietschulden werden dadurch aber nicht getilgt – es handelt sich also um eine Art von Zwangskredit.
Welche positiven Lehren können gezogen werden?
Auch wenn es aktuell schwer fällt, daran zu denken: Der Status quo wird vermutlich spätestens im Sommer beendet oder stark gelockert werden. Wie die wirtschaftliche Welt nach der aktuellen Corona-Krise aussehen wird, ist noch völlig unklar, doch viele Experten erwarten keine jahrelange Rezession, sondern einen baldigen Wiederaufschwung. Dadurch hätten viele Selbstständige die Möglichkeit, zumindest einen Teil ihrer Verluste wettzumachen, sofern die staatlichen Hilfen ausreichen, um sie durch die schwierigen Monate zu bringen.
Noch wichtiger sind für Freiberufler womöglich die etwaigen gesellschaftlichen Folgen. Viele gehen beispielsweise davon aus, dass sich der Umgang mit ansteckenden Krankheiten dauerhaft verändern wird und ein neues Hygienebewusstsein entsteht. Daher scheint es gar nicht so unwahrscheinlich, dass auch die aus der Not geborenen Arbeitsbedingungen, insbesondere die Umstellung vieler Unternehmen auf Homeoffice, einen nachhaltigen Einfluss auf die Arbeitskultur nach sich ziehen werden – mit womöglich positiven Auswirkungen für viele Freelancer und Freiberufler. Zwar ist die Anzahl an Selbstständigen in den Freien Berufen kontinuierlich gestiegen, gleichzeitig sind die Zuwachsraten in den letzten Jahren stagniert, während sich die Zahl der Selbstständigen sogar im Sinkflug befindet. Viele führen dies auf stockende infrastrukturelle Weiterentwicklung im technischen Bereich zurück, ebenso sind viele etablierte Unternehmen weiterhin skeptisch, wenn es um die Auslagerung von Verantwortlichkeiten an externe Mitarbeiter geht, da sie einen Kontroll- und Produktivitätsverlust fürchten. Sollte sich die Arbeit von zu Hause aus jedoch in Krisenzeiten bewähren, kann das unter Umständen nicht nur zu einem Umdenken führen, sondern auch ohnehin notwendige Digitalisierungsmaßnahmen anstoßen und vorantreiben.
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Quellen:
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Deutschlandfunk
Gründerlexikon
Gründerszene
Statista
Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland e.V.
Ver.di
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