Ländervergleich Schweiz: Arbeit, Gehalt und Leben
Die Schweiz ist eines der reichsten Länder überhaupt und noch dazu das beliebteste Auswandererland der Deutschen. Beim Durchschnittsgehalt liegen unsere südlichen Nachbarn weltweit auf Platz 3, fast das doppelte von unserem Lohnniveau wird gezahlt. Zudem locken vergleichsweise niedrige Steuern Auswanderer und Auswanderinnen in die Schweiz. Kein Wunder also, dass viele Deutsche sich vorstellen können, in der Schweiz zu arbeiten – wo es außerdem zumindest in der Deutschschweiz keine Sprachbarriere gibt, sieht man von gewöhnungsbedürftigen Dialekten mal ab. Über 60 Prozent der Einwohnenden sprechen Deutsch, das damit die verbreitetste Sprache des Landes ist.
Der Reichtum der Schweiz, dem neutralen Fels in der Brandung, mit seinen wohlhabenden Banken und den weltberühmten präzisen Uhren, ist sprichwörtlich. Wer von astronomischen Gehältern in Schweizer Franken und vielleicht einem Haus am Bergsee träumt, sollte aber nicht vergessen, dass auch die Lebenshaltungskosten in der Eidgenossenschaft bedeutend höher sind als hierzulande. Dennoch ist die Kaufkraft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer enorm und eine der höchsten in ganz Europa. Übrigens: Wie auch bei uns redet man in der Schweiz eigentlich nicht über Gehälter oder Einkommen, das gilt regelrecht als unhöflich.
Kennzahlen: Arbeiten in der Schweiz
- Einwohnerzahl: 8,6 Mio.
- Währung: Schweizer Franken (CHF)
- Durchschnittlicher Verdienst: ca. 78.000 Schweizer Franken (80.000 €) brutto im Jahr (monatlich rund 6.700 € umgerechnet auf 12 Monate). Das Einkommen für Vollzeitbeschäftigte ist somit um circa 70 Prozent höher als in Deutschland.
- Gehaltsbestandteile: (brutto und netto) Grundgehalt plus variable Gehaltsbestandteile. Direkt abgeführt werden die Sozialabgaben. Diese bestehen aus Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), Invalidenversicherung und Erwerbsersatzordnung in Höhe 5,3 % des Bruttogehalts; Arbeitslosenversicherung (1,1 % des Bruttogehalts), Berufsvorsorge (zwischen 7 und 18 %) sowie Nichtbetriebsunfall-Versicherung (zwischen 1 und 3 % je nach Branche). Die gleiche Höhe der Beiträge, die die Arbeitnehmer*innen entrichten müssen, wird noch mal seitens des Arbeitgebers gezahlt. Am Ende bleiben etwa 70-87 Prozent des Bruttolohns als Nettogehalt übrig. Anders als in Deutschland zählt die Krankenversicherung nicht zu den Sozialabgaben, obwohl sie in der Schweiz obligatorisch ist.
- Steuersatz/Steuersystem: Nicht ohne Grund gilt das Land als Steuerparadies, denn Arbeitnehmende zahlen bedeutend geringere Sätze als in Deutschland. Schweizer Staatsbürger*innen sind verpflichtet, einmal jährlich ihre Steuern bei der zuständigen Finanzbehörde zu entrichten. Die Einkommensteuer heißt in der Schweiz Quellensteuer und hängt stark von Einkommen, Status sowie dem jeweiligen Kanton ab. Ein*e Angestellte*r mit einem Gehalt von 6.000 Franken und Wohnsitz in Bern führt beispielsweise 1.520 CHF monatlich ab. Nach Abzügen der Sozialversicherungen, aber noch ohne die Krankenversicherung, beträgt der Nettolohn 4.480 CHF.
Wer als Zuwanderer bzw. Zuwanderin in der Schweiz lebt, muss jeden Monat seine Steuern abführen. Diese werden direkt vom Gehalt abgezogen. Für Grenzgänger*innen, also Menschen, die im Ausland ihren Wohnsitz und nur in der Schweiz arbeiten, gelten andere Steuersätze als für Einwohnerinnen und Einwohner. Pauschal müssen dann 4,5 Prozent in der Schweiz entrichtet werden. - Krankenkasse & Co: Zwar ist die Krankenversicherung für jeden Pflicht, doch Schweizer*innen nehmen sie selbst in die Hand: Jede*r ist für seine eigene Versicherung verantwortlich. Die Krankenkassen stellen die Grundversicherung sicher, für weitere Leistungen wie Einzelzimmer im Krankenhaus werden Zusatzversicherungen abgeschlossen. Bei der Beitragsberechnung für die Grundversicherung spielt das Einkommen in der Schweiz im Gegensatz zu Deutschland keine Rolle – Höhe der Franchise (Selbstbehalt bzw. Zahlungsvorschuss), Wohnort, Arztmodell und Alter sind maßgeblich.
- Rente: Das gesetzlich vorgesehene Rentenalter für Männer liegt in der Schweiz bei 65 Jahren, Frauen dürfen mit 64 Jahren ohne Abzüge in den Ruhestand. Geht man ein Jahr früher in Rente, bedeutet dies Abzüge von 6,8 Prozent bei der sogenannten AHV-Rente. Bei zwei Jahren Vorruhestand beträgt der Abzug 13,6 Prozent. Andere Rentenbestandteile können nur dann früher empfangen werden, wenn die Pensionskassen das explizit vorsehen.
- Babypause/Elternzeit: Hier widersetzt sich die Schweiz dem Trend der Nachbarländer. Bislang konnten sich gesetzliche Maßnahmen zur Familienförderung wie Elternzeit nicht durchsetzen, denn staatliche Eingriffe werden auch hier als Einschränkungen der individuellen Freiheit wahrgenommen. Initiativen, die der Familienförderung dienen, kommen in der Regel aus der Wirtschaft und nicht vom Staat.
Der Mutterschutz bzw. Mutterschaftsurlaub beträgt in der Schweiz nur 14 Wochen. Währenddessen bekommen sie 80 Prozent des regulären Gehalts. Noch straffer sind die Regelungen für junge Väter: Gesetzlich haben Männer bei Geburt ihres Kindes lediglich Anspruch auf zwei Wochen. In der Folge bleibt bei den Schweizer*innen meist alles beim klassischen Rollenmodell: Der Mann geht zeitig wieder Vollzeit arbeiten, während die Frau zur Kinderbetreuung zu Hause bleibt und später allenfalls einen Teilzeitjob annimmt. Männer ab einem bestimmten Einkommen nehmen zum Teil unbezahlten Urlaub bei der Geburt des Kindes. - Zahlweise Gehalt: In der Regel monatlich als Überweisung aufs Bankkonto.
- Wochenarbeitszeit: Eine gesetzliche Regelung begrenzt die Wochenarbeitszeit auf 45 Stunden für Angestellte in der Industrie, Büropersonal, technisches Personal sowie Verkaufspersonal in großen Einzelhandelsbetrieben. Für alle anderen Angestellten gelten 50 Stunden pro Woche als Höchstarbeitszeit. Üblich sind 42- oder 45-Stunden-Wochen. Überstunden müssen entweder mit 125 Prozent entlohnt oder durch freie Tage ausgeglichen werden.
- Urlaubsanspruch im Jahr: mindestens vier Wochen pro Jahr, bei jüngeren Arbeitnehmenden und Auszubildenden unter 20 Jahren fünf Wochen jährlich. Ältere Arbeitnehmer*innen erhalten mehrheitlich mehr Urlaub, dies ist jedoch nicht gesetzlich festgelegt, sondern Sache der Kantone. Neujahr, Himmelfahrt und der erste Weihnachtsfeiertag sowie der 1. August als Bundesfeiertag (Nationalfeiertag) sind für alle Schweizer arbeitsfrei.
- Arbeitspausen: Bei mehr als 5 ½ Stunden Arbeit ist eine Pause von 15 Minuten einzulegen. Arbeitet man 7 Stunden oder länger, ist eine halbe Stunde Pause Pflicht. Wenn die Arbeitszeit 9 Stunden überschreitet, muss eine Stunde lang pausiert werden. Nach einem Arbeitstag haben Arbeitnehmer Anspruch auf 11 Stunden Ruhe, die einmal pro Woche auf 8 Stunden herabgesetzt werden kann.
Die Schweiz im Ländervergleich
Direkte Demokratie und Liberalismus werden bei den Eidgenossen großgeschrieben. Eingriffe des Staates in die Marktwirtschaft werden kritischer gesehen als in Deutschland und fallen entsprechend geringer aus. So gibt es keinen gesetzlich festgelegten Mindestlohn in der Schweiz; es haben sich aber zahlreiche Branchen auf sogenannte Gesamtarbeits-Verträge (GAV) geeinigt, in denen Mindestlöhne für den jeweiligen Zweig festgelegt sind. Ähnlich liberal ist der Kündigungsschutz, der zwar schnelle Reaktionen auf Konjunkturschwankungen ermöglicht, für Arbeitnehmer aber meist zum Nachteil ist.
Wie in vielen anderen Ländern sind die Einkommen in der Schweiz ungleich verteilt: Die Großstädte Zürich, Genf und Basel mit ihren finanzstarken Banken stehen besser da als die ländlichen Bergregionen. Entsprechend sind allerdings auch die Lebenshaltungskosten, die im Schnitt um 51 Prozent höher sind als in Deutschland. Außerdem ist der Gender Pay Gap, der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen, noch größer als in Deutschland. 2021 war dieser jedoch so tief wie noch nie und auch der Frauenanteil in Unternehmen oder der Politik erhöhte sich in diesem Jahr.
Im Endeffekt bleibt bei höheren Löhnen und niedrigen Steuern aber auch für Arbeitnehmer*innen mit mittlerem Einkommen so viel übrig, dass sie über ein ansehnliches Nettoeinkommen verfügen. Von der Lohnentwicklung her ist ein leichtes Wachstum der Nominal- und der Reallöhne in der Schweiz festzustellen. Dies liegt tatsächlich aber an einer negativen Teuerung.
Arbeitsmarkttrends in der Schweiz
Seit der Wirtschaftskrise ist die Konjunktur in der Schweiz eingebrochen, sogar negative Entwicklungen sind feststellbar. Auch die Corona-Krise hat das Land auf eine Arbeitslosenquote von 3,5 Prozent geschleudert. Dennoch steht es gut um die Ökonomie der Schweiz: Eine im Juli 2022 gemessene Arbeitslosenquote von 2 Prozent, die zuletzt noch deutlich gesunken war, weist auf einen wiedererstarkenden Aufschwung hin. Damit nähert sich die Schweiz der Vollbeschäftigung an. Auch hybride Arbeitszeitmodelle wie der Wechsel zwischen Home-Office und Büro und höhere Anforderungen an die Mitarbeitenden in der IT sind durch die Corona-Pandemie in der Schweiz angekommen. Jedoch gelten durchzunehmende prekäre Beschäftigungen auch immer mehr Menschen als arm oder armutsgefährdet.
Welche Berufe sind in der Schweiz gefragt?
Das Land ist nicht zuletzt für seinen Bankensektor berühmt, der mit Abstand der finanzstärkste ist und im Vergleich die höchsten Löhne zahlt. Die wichtigsten Branchen in der Schweiz sind:
- Banken und Versicherungen
- Bau
- Einzelhandel
- Feinmechanik (Uhrmacher)
- Gastronomie und Tourismus
- Lebensmittel
- Maschinenbau
- Metallindustrie
- Öffentliche Verwaltung
- Pharmaindustrie
- Unternehmensberatung
Gefragt sind in der Schweiz derzeit unter anderem folgende Berufe:
- Bauleiter/-in
- Buchhalter/-in
- Fahrer/-in
- Gesundheitsberufe und Pflegepersonal
- Ingenieur/-in
- Mechaniker/-in
- Monteur/-in
- Projektleiter/-in
- Schreiner/-in
- Servicetechniker/-in
- Softwareentwickler/-in
Im Vergleich zu Deutschland ist eine abgeschlossene Berufsausbildung in der Schweiz hoch angesehen. Dies liegt vermutlich daran, dass diese länger dauern und ein höheres Anforderungslevel an die Auszubildenden stellen. Aber auch deutsche Berufsausbildungen sehen Schweizer Arbeitgeber gerne.
Schulsystem und Ausbildung in der Schweiz
Vorwiegend ist das Bildungssystem der Schweiz Sache der Kantone und Gemeinden. Allgemein teilt es sich auf in:
- Primarstufe inklusive Kindergarten/Eingangsstufe, die insgesamt acht Jahre umfasst. Öffentliche Kindergärten und Schulen sind kostenlos.
- Sekundarstufe I (Schulen mit Grund- und erweiterten Ansprüchen) im Umfang von in der Regel drei Jahren. Öffentliche Schulen sind auch in der Sekundarstufe I kostenlos.
- Sekundarstufe II, die entweder als gymnasiale Maturitätsschule, Fachmittelschule oder berufliche Grundbildung (Lehre) absolviert wird.
Wer weiter lernen möchte, für den stehen in der Tertiärstufe die Hochschulen offen. Studentinnen und Studenten müssen im Vergleich zu Ländern wie UK oder USA geringere Studiengebühren zahlen, allerdings entrichten Ausländer*innen an mehreren Unis eine zusätzliche Abgabe. Mindestens 500 bis zu 4.000 CHF muss man pro Semester abtreten.
Zu den Hochschulen des Landes zählen:
- 12 universitäre Hochschulen
- 9 Fachhochschulen
- 20 pädagogische Hochschulen
Außerdem ist die höhere Berufsbildung außerhalb der Hochschulen der Tertiärstufe zugeordnet:
- eidgenössische Berufsprüfungen
- höhere Fachprüfungen
- höhere Fachschulen
Arbeiten in der Schweiz: Fazit
Löhne und Gehälter auf Höchstniveau, niedrige Steuern und kaum Sprachbarrieren auf der einen Seite, hohe Arbeitszeiten, teurer Lebensunterhalt und ein liberaler Arbeitsmarkt mit Nachteilen für Arbeitnehmer*innen auf der anderen Seite: Das kennzeichnet das Leben und Arbeiten in der reichen Schweiz. Es überrascht nicht, dass viele Deutsche danach streben, im Nachbarstaat sesshaft zu werden – und wenn es manche Spitzensportler*innen nur aus Steuergründen tun.
Zuletzt hat die Schweiz die Hürden für Zuwanderinnen und Zuwanderer erhöht. Dies betrifft deutsche Staatsangehörige allerdings nicht, sofern sie eine Arbeit finden. Eine gesonderte Arbeitserlaubnis ist als Deutsche*r nicht notwendig. Inzwischen leben rund 311.000 Bundesbürger in der Schweiz, was allerdings nicht uneingeschränkt auf Zustimmung trifft. Manche*r Schweizer*in empfindet die starke Zuwanderung aus dem großen Nachbarland mittlerweile als kulturelle Bedrohung.
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Quellen:
Auswandern-info.com
Auswandern-schweiz.net
Bundesamt für Statistik Schweiz
Ch.ch
Ch.talent.com
daad.de
edk.ch
Finanzamt Baden-Württemberg
GetYourLawyer.ch
Glarus-sued.ch
Grenzgaengerdienst.de
Gryps.ch
Nzz.ch
OECD
Projuventute.ch
Sb-personal.ch
SECO
Statista
Statistisches Bundesamt
Weka.ch
World Bank
Autorin: Alicja Grüllenberger