Ländervergleich Polen: Gehalt, Arbeit, Wirtschaft
Polen gilt als eines der beliebtesten Auswanderungsziele der Deutschen, jährlich entscheiden sich ungefähr 8.000 Deutsche, in Polen ein neues Leben zu beginnen. Die Gründe dafür sind vielfältig, sei es die Neugier auf die osteuropäische Kultur, die Familie oder die vergleichsweise niedrigen Lebenshaltungskosten. Auf der anderen Seite besteht bei vielen Menschen immer noch das Vorurteil, Polen sei ein armes und rückständiges Land, dabei ist Polen schon seit fast 20 Jahren EU-Mitglied. Aber wie lebt und arbeitet es sich in Polen wirklich? Wie steht Polen da im Vergleich zu dem uns bekannten System und den hiesigen Abläufen in Deutschland?
In diesem Artikel stellen wir die polnische Wirtschaft, die dortigen Gehälter im Vergleich zu Deutschland, das Sozialsystem und das Schulsystem vor.
Kennzahlen: Arbeiten in Polen
Einwohnerzahl: 38.1 Millionen
Währung: Zloty (PLN)
Durchschnittlicher monatlicher Verdienst: umgerechnet ca. 1.160 Euro pro Monat (ca. 14.000 Euro pro Jahr)
Steuern: Der jährliche Steuerfreibetrag der Einkommenssteuer beträgt 6.385 Euro (30.000 PLN). Alles, was darüber verdient wird, wird in zwei verschiedenen Varianten versteuert. Für ein Jahreseinkommen von bis zu 25.540 Euro (120.000 PLN) gilt der Steuersatz von 12 Prozent. Für Arbeitnehmer unter 26 Jahren liegt die Gehaltsgrenze schon bei 18.200 Euro (85.530 PLN). Jedes Einkommen wird immer mit 3.000 Euro (10.000 PLN) und einem zusätzlichen Steuersatz von 32 Prozent versteuert.
Sozialsystem und Krankenkasse: In Polen besteht eine Versicherungspflicht für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowie für alle Gewerbetreibenden. Die Sozialversicherung läuft über einen staatlichen Versicherungsträger, die ZUS. Sie umfasst die drei Bereiche Krankenkasse, Arbeitslosenfonds und die klassische Sozialversicherung, die unter anderem Rentenversicherung oder Arbeitsunfähigkeitsversicherung beinhaltet. Der größte Anteil geht an die Rentenversicherung, 19.5 Prozent des Bruttoeinkommens. Diese wird zu gleichen Teilen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer geleistet, effektiv zahlen die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nur den halben Beitrag. Ebenso werden die anderen Sozialabgaben sowohl von Arbeitnehmer als auch von Arbeitgeber geleistet, lediglich die Anteile unterscheiden sich in den einzelnen Fällen. Einige Beiträge werden direkt, vollständig oder teilweise von der Einkommenssteuer abgesetzt, das gilt beispielsweise für die Krankenversicherung.
Mindestlohn: ca. 630 Euro pro Monat
Wochenarbeitszeit: Die tägliche Arbeitszeit in Polen beträgt maximal 8 Stunden bzw. durchschnittlich 40 Stunden pro 5-Tage-Woche pro Abrechnungszeitraum. In Ausnahmefällen kann die Arbeitszeit verlängert werden, sie darf allerdings eine wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden nicht überschreiten. Arbeitnehmer haben auch die Möglichkeit zur Teilzeit. In diesem Fall dürfen die Teilzeitarbeitenden in der Entlohnung gegenüber den Vollzeitarbeitenden nicht benachteiligt werden, der Stundenlohn darf bei Teilzeit also nicht verringert werden. Ab sechs Stunden Arbeitszeit haben Arbeitnehmer Anspruch auf eine bezahlte Pause von 15 Minuten.
Elternschaft: Während einer Schwangerschaft genießen Frauen einen besonderen Kündigungsschutz sowie einen besonderen Arbeitsplatzschutz. Zudem dürfen Schwangere weder nachts arbeiten noch Überstunden leisten und dürfen ebenfalls keine ermüdenden oder gesundheitsschädlichen Tätigkeiten ausführen. Außerdem erhalten Mütter für einen bestimmten Zeitraum nach der Geburt Muttergeld. Dieser Zeitraum verlängert sich abhängig davon wie viele Kinder sie während einer Schwangerschaft zur Welt bringt. Das Muttergeld beträgt 100 Prozent des Arbeitslohnes. Eltern haben ebenfalls Anspruch auf Elternurlaub von bis zu 32 Wochen bei der Geburt eines Kindes oder bis zu 34 Wochen bei der Geburt mehrere Kinder. Der Anspruch verfällt nach Vollendung des sechsten Lebensjahres des Kindes. Für Eltern die in Teilzeit weiterarbeiten kann sich der Anspruch aber auf bis zu 68 Wochen verlängern.
Wie viel ist das Gehalt in Polen tatsächlich wert?
Das durchschnittliche Gehalt in Polen beträgt ungefähr 5.450 PLN, umgerechnet sind das rund 1.160 Euro und somit deutlich weniger als in Deutschland. Allerdings sind die Lebenshaltungskosten in Polen auch deutlich niedriger. Mit Ausnahme von Warschau sind die Mieten deutlich günstiger, Einzelpersonen, besonders Studierende, zahlen für kleine Wohnungen selten mehr als 1.000 PLN, was umgerechnet nur etwas mehr als 200 Euro sind. Größere Wohnungen kosten im Schnitt 750 Euro. Auch die Nebenkosten und andere Ausgaben wie Lebensmitteleinkäufe und vor allem die Preise für den ÖPNV sind deutlich niedriger. Oft können Polen und Polinnen schon für umgerechnet weniger als 1 Euro quer durch die Stadt reisen. So spielt es in den meisten Fällen keine große Rolle, dass die Gehälter relativ niedrig ausfallen.
Schulsystem und Berufsausbildung in Polen
In Polen fand 2017 eine Bildungsreform statt, welche das Schulsystem auf den Stand vor der letzten Reform 1998 zurücksetzte. Das jetzige Schulsystem ist wieder zweistufig und besteht aus Grundschule und freiwilliger weiterführender Schule. Mit dieser Rückreform sollen die Schüler und Schülerinnen wieder, wie im 19. und 20. Jahrhundert im Geiste des Patriotismus und nationalistisch erzogen werden. Außerdem wurde die Reform mit der demografischen Situation, der starken Emigration vieler Polen und Polinnen und mit dem Rückgang an Schülern und Schülerinnen seit 2004 begründet. Die Erklärung, inwiefern diese Reform den Symptomen entgegenwirken soll, blieb die Regierung schuldig.
Die Kinder in Polen besuchen ab einem Alter von sechs Jahren eine Vorschule, mit sieben werden sie in die Grundschule eingeschult. Diese dauert in der Regel acht Jahre und endet mit einer Anschlussprüfung, in der die Fächer Polnisch, Mathematik und eine Fremdsprache abgefragt werden. Nach Abschluss der achten Klasse endet die Schulpflicht in Polen. Die Jugendlichen haben in der Regel drei Möglichkeiten. Zum einen können sie eine dreijährige szko?a bran?owa absolvieren. Diese ist vergleichbar mit einer handwerklichen Berufsausbildung. Berufe, die auf diese Weise erlernt werden können, sind beispielsweise:
- Automechaniker/-in
- Bäcker/-in
- Koch/Köchin
- Schlosser/-in
- Schreiner/-in
Eine andere Möglichkeit ist es, die Schulbildung fortzuführen. Hierfür bewerben sich die Jugendlichen mit ihren Prüfungsergebnissen und besuchen entweder ein Liceum oder ein Technikum. Das Liceum ist vergleichbar mit einem deutschen Gymnasium und schließt nach 4 Jahren mit der Matura (ähnlich dem Abitur) ab. Anschließend können sie studieren. Das Technikum ist eine Alternative zum Liceum und schließt ebenfalls mit der Matura ab, aber erst nach fünf Jahren, es kann als technische Oberschule verstanden werden. Der Unterschied zum Liceum liegt darin, dass hier bereits während der Schulbildung ein Schwerpunkt auf verschiedene Berufsgruppen gelegt wird, wodurch der Einstieg in das Berufsleben nach dem Abschluss erleichtert werden soll.
Eine Schulanwesenheitspflicht wie in Deutschland gibt es in Polen nicht. Stattdessen ist es möglich, die Pflichten der Lehrer und Lehrerinnen auf die Familien abzuwälzen, das sogenannte Homeschooling, wodurch natürlich die Schulbildung der Kinder leidet.
Welche Berufe sind in Polen gefragt?
Polen ist ein aufstrebendes Land mit einer wachsenden Wirtschaft. Seit dem EU-Beitritt 2004 ist das Land für Investoren attraktiver geworden, außerdem zieht es zahlreiche Polen und Polinnen ins Ausland, daher werden in Polen ständig Fachkräfte gesucht.
Polen ist bei vielen ein beliebtes Urlaubsziel. Daher sind die Branchen Tourismus, Hotellerie und Gastronomie wichtige Branchen, in denen vor allem in den Urlaubsmonaten Saisonarbeiter gesucht werden. Fachkräfte sind dagegen vor allem in technischen oder wirtschaftlichen Bereichen gefragt, dazu zählen beispielsweise:
- Bankkaufleute
- Betriebswirtschaft
- Maschinenbau
- Mechatronik
- Medizintechnik
- Pharmazie
Fazit: Arbeiten und Leben in Polen
Insgesamt unterscheidet sich das Leben in Polen nicht allzu sehr von dem in Deutschland. Die größten Unterschiede liegen wohl im Bildungssystem und der Art der Unterrichtsgestaltung. Während in deutschen Schulen, vor allem in den späteren Jahren, Quellen- und Medienkritik einen großen Teil des Lehrplans einnehmen, steht in Polen vor allem eine angepasste Erziehung im Vordergrund, bedingt durch die Bildungsreform 2017 durch die Regierungspartei PiS. Auch die Elternschaft und der damit verbunden Elternurlaub zeigt deutliche Unterschiede. Während die Eltern in Polen nur Anspruch auf 32 bzw. 34 Wochen komplette Freistellung in den ersten sechse Jahren nach der Geburt haben, besteht in Deutschland zusätzlich zur Elternzeit unmittelbar nach der Geburt ein Anspruch auf 24 Monate Freistellung zwischen dem dritten und achten Lebensjahr.
Das könnte Sie auch interessieren:
Quellen:
auslandslust.de
auswandern-polen.de
bmfsfj.de
bpb.de
eu-info.de
eures-triregio.eu
imd.org
ihk.de
polen.diplo.de
statista.com
studieren-weltweit.de
workwide.de
zaster-magazin.de
Autor: Christoph Deutscher