Ländervergleich Frankreich: Arbeit, Gehalt und Leben
- Arbeitssituation in Frankreich
- Zahlen und Fakten von Frankreich
- Ländervergleich zwischen Deutschland und Frankreich
- Sozialbeiträge, Steuern und Abgaben in Frankreich
- Gehalt in Frankreich
- Frankreich als Vorbild in der Familienpolitik
- Arbeitsmarktlage in Frankreich
- Frankreichs Bildungswesen
- Schulsystem in Frankreich
- Studieren in Frankreich
- Fazit: Arbeiten in Frankreich
Kunst und kulturelles Erbe, kulinarische Vielfalt und das besagte Savoir-vivre, die französische Art zu leben und zu genießen – Frankreich hat seinen ganz eigenen Charme. Doch wie lässt es sich zwischen Mittelmeer und Atlantik wohnen, studieren und arbeiten?
Was im Jahr 1963 mit der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags zur Bekennung der deutsch-französischen Freundschaft begann, entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit in vielen Gesellschaftsbereichen, der Politik sowie der Wirtschaft. Welche Vor- und Nachteile bietet die Arbeit im Nachbarland Frankreich? Gibt es starke Unterschiede zum deutschen System? Und welche beruflichen Chancen bietet Frankreich in der Zukunft?
Zahlen und Fakten von Frankreich
Mit 67,81 Millionen Einwohnern auf einem Raum von rund 644 km² ist Frankreich flächenmäßig der größte Mitgliedsstaat der Europäischen Union. Währung ist der Euro.
Berufstätige in Frankreich erhalten einen durchschnittlichen Jahresverdienst von 37.874 Euro brutto, jedoch lassen sich Abweichungen von bis zu 20 Prozent verzeichnen. Grund dafür sind neben geschlechterspezifischen und altersbedingten Unterschieden regionale Ungleichheiten in der Bezahlung. Der Großraum in und um die Hauptstadt Paris, auch Île-de-France genannt, bietet die besten Berufs- und Verdienstmöglichkeiten, gefolgt von der Region Auvergne-Rhône-Alpes an der Grenze zur Schweiz und Italien. Führungskräfte im Pariser Umfeld verdienen mit rund 52.000 Euro brutto im Jahr ca. 11 Prozent mehr als im Rest des Landes. An dieser Stelle ist zu berücksichtigen, dass die Lebenshaltungskosten in der Metropolregion aber auch entsprechend höher ausfallen.
Im Jahr 2020 waren in Frankreich 28,8 Millionen Menschen beschäftigt, ein Großteil davon arbeitet im Dienstleistungssektor. Etwa 3,3 Millionen Arbeitnehmer*innen sind im Bereich Industrie und Gewerbe tätig und weitere 1,8 Millionen arbeiten im Baugewerbe, während der primäre Sektor mit 0,7 Millionen Berufstätigen den geringsten Teil zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) beiträgt. 7,4 Prozent der Menschen in Frankreich sind arbeitslos, Tendenz sinkend. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Arbeitslosenquote aktuell bei 5,4 Prozent.
Ländervergleich zwischen Deutschland und Frankreich
Die Mehrheit der französischen Bevölkerung befindet sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. 12,6 Prozent sind selbstständig und lediglich 7,7 Prozent der Angestellten verfügt zum Zeitpunkt 2021 über einen befristeten Arbeitsvertrag. In Deutschland sind etwa 7,4 Prozent der Arbeitnehmer befristet beschäftigt (Stand 2019). Es lassen sich aber noch weitere Unterschiede zwischen den beiden Ländern feststellen, beispielsweise hinsichtlich des gesetzlichen Mindestlohns: Der Salaire minimum interprofessionel garanti (SMIG) wurde bereits 1950 eingeführt und wird jährlich aktualisiert. Seit Mai dieses Jahres beträgt der Mindestlohn in Frankreich 10,85 Euro pro Stunde. In Deutschland liegt die gesetzliche Lohnuntergrenze bei 9,82 Euro in der Stunde und soll im Juli 2022 auf 10,45 Euro erhöht werden.
Daneben kann Frankreich als Arbeitgeber in Sachen Arbeitszeit punkten: Die reguläre Wochenarbeitszeit beträgt hier 35 statt 40 Stunden. Ausgenommen von dieser Vorschrift sind etwa Beschäftigte in einer Führungsposition. Werden Überstunden gemacht, erhalten französische Angestellte einen prozentualen Gehaltszuschlag von 25 bis 50 Prozent. Außerdem haben Arbeitnehmer*innen in Frankreich einen Urlaubsanspruch von 2,5 Tagen im Monat, also 30 Werktage im Jahr. Das ist eine Woche mehr als bei deutschen Arbeitskräften, welche lediglich 24 freie Tage im Jahr zugesprochen bekommen.
Anders verhält es sich allerdings im Krankheitsfall: Arbeitgeber müssen Mitarbeitenden, welche sich krankmelden, erst nach dem siebten Tag in Folge wieder Gehalt zahlen, und zwar 90 Prozent des festgelegten Entgelts in den ersten 30 Tagen. Danach zahlt der Arbeitgeber krankheitsbedingt ausfallenden Beschäftigten nur noch ca. 67 Prozent des Gehalts, wobei die Zeitspanne der Entgeltfortzahlung nach 30 weiteren Tagen betrieblich geregelt ist und entsprechend unterschiedlich ausfällt. Ausgleichend erhalten Arbeitnehmer*innen nach dreitägiger Karenzzeit (délai de carence) Krankengeld. Die jeweilige Krankenkasse zahlt in der Regel 50 Prozent des Bruttogehalts.
Sozialbeiträge, Steuern und Abgaben in Frankreich
Welcher Krankenkasse man in Frankreich angehört, ist unter anderem abhängig von der eigenen beruflichen Situation. Das Krankenversicherungssystem unterscheidet hier zwischen drei Hauptinstanzen: Die Primärkrankenkasse CPAM (Caisse Primaire d'Assurance Maladie), eine Agrarkrankenkasse für Berufstätige in der Landwirtschaft sowie eine Krankenkasse für Selbstständige, der Mutuelle des artisans. Im Falle einer Erkrankung übernimmt die jeweilige Krankenkasse einen Teil der anfallenden Kosten für Arztbesuch, Medikamente und weitere Versorgungsleistungen. Da nicht alle Kosten erstattet werden, sind viele französische Bürgerinnen und Bürger zudem privat versichert.
Jeder Arbeitnehmer in Frankreich ist verpflichtet, einen allgemeinen Solidaritätsbeitrag zu zahlen. Der CSG (Contribution sociale généralisée) ist die Grundlage für ein funktionierendes Sozialversicherungssystem, das Sécurité sociale, in welchem auch die gesetzliche Krankenversicherung enthalten ist. Die Beitragszahlung bei Erwerbstätigen beträgt 9,2 Prozent des Einkommens. Da das französische System noch verbleibende Sozialversicherungsschulden aufweist, sind weitere 0,5 Prozent Abgaben an die CRDS (Contribution au remboursement de la dette sociale) fällig. In der Gesamtheit fließen zwischen 20 und 25 Prozent des Bruttogehalts französischer Arbeitnehmer in die Sozialversicherung.
Bis vor Kurzem galt in Frankreich außerdem noch eine jährlich zu leistende Wohnsteuer, wobei der konkrete Beitrag vom Mietwert und Standort der Wohnung abhängig war. Dieser Beitrag wird allerdings durch eine Reform stufenweise abgeschafft, sodass bis zum Jahr 2023 keiner mehr eine taxe d'habitation auf den Hauptwohnsitz zahlen muss.
Gehalt in Frankreich
Beschäftigte in Frankreich verdienen durchschnittlich zwar weniger als in Deutschland, zahlen allerdings auch eine geringere Einkommenssteuer. Diese wird neben der Zuordnung zu entsprechenden Gehaltsklassen für jeden Berufstätigen individuell von einem staatlichen Online-Rechner ermittelt. Wer in Frankreich beispielsweise 45.000 Euro brutto im Jahr verdient, bekommt 30.198 Euro Nettoeinkommen – in Deutschland erhalten Arbeitnehmer*innen mit demselben Bruttojahreseinkommen mit 27.770 Euro nach Lohnsteuer und weiteren Abzügen im Schnitt ca. 8,7 Prozent weniger Nettogehalt. Jedoch sind die Lebenshaltungskosten in Frankreich um etwa 5,8 Prozent höher.
Gehaltstechnisch lässt sich besonders im vergangenen Jahr kaum Bewegung verzeichnen, was auf Krisensituationen wie die Coronapandemie sowie die angespannte Weltwirtschaftslage zurückzuführen ist.
Laut dem französischen Statistischen Amt INSEE werden Frauen durchschnittlich um 16 Prozent schlechter bezahlt als Männer (Stand 2019). Besonders schwer wiegt der Unterschied in Führungspositionen.
Frankreich als Vorbild in der Familienpolitik
Besonders für berufstätige Mütter bietet Frankreichs Familienpolitik Vorteile, was nicht zuletzt auch ein positiver Effekt zur Entgegenwirkung des demografischen Wandels ist: Im Schnitt bekommt jede Frau in Frankreich zwei Kinder. Somit verzeichnet Frankreich die höchste Geburtenrate in Europa. Obwohl die Beschäftigungsquote französischer Frauen niedriger ist als die in Deutschland, fällt es in Frankreich oft leichter, Beruf und Familie zu vereinbaren. So befinden sich viele Frauen mit Kindern in einem Vollzeitjob und profitieren zum Beispiel von einem vielfältigen Angebot an Betreuungseinrichtungen. Nicht zuletzt erleichtert auch die verkürzte Wochenarbeitszeit, den Alltag mit Beruf und Familie zu bewältigen.
Gute Karriereaussichten bestehen also ebenfalls für Mütter, wohingegen die Lage in Deutschland noch deutlich schwieriger aussieht. Ganze 46,2 Prozent der deutschen Frauen arbeiten in Teilzeit – in Frankreich sind es lediglich 22,2 Prozent.
Arbeitsmarktlage in Frankreich
Trotz der Auswirkungen der Coronapandemie werden in vielen Bereichen aktiv qualifizierte Fachkräfte gesucht. Die Tourismusbranche sowie Gastronomie und Handel strebt vor allem im Großraum Paris nach neuer Mitarbeiterschaft. Neben dem Dienstleistungssektor spielen auch die Digitalisierung des Arbeitsmarkts, zukunftsorientierte Technologien und Informatik eine große Rolle. In folgenden Branchen und Berufen stehen die Aussichten für Bewerber und Bewerberinnen aktuell besonders gut:
Gefragte Berufsfelder:
- Bauwesen
- Buchhaltung und Personalwesen
- Forschung und Entwicklung
- Informations- und Telekommunikationswesen
- IT und Ingenieurswesen
- Versicherungen und Finanzen, Rechnungswesen
Gefragte Berufe:
- Data Scientist
- Empfangsmitarbeiter/-in
- Industriekaufmann/-frau
- Ingenieur/-in
- IT-Manager/-in
- Kellner/-in, Aushilfe
- Koch/Köchin
- PR-Mitarbeiter/-in
- Sachbearbeiter/-in Buchhaltung
- SEO-Manager/-in
- Verkäufer/-in
Viel Wert wird in Frankreich auf gute Sprachkenntnisse gelegt sowie interkulturelle Kompetenz. Respekt vor Autoritätspersonen hat in der französischen Kultur eine größere Bedeutung als etwa in Deutschland, sowohl den familiären als auch den beruflichen Lebensbereich betreffend. Während Deutsche Pünktlichkeit, Zeitmanagement und Qualitätsbewusstsein schätzen, stehen in Frankreich vor allem Innovativität und Freigeist im Vordergrund.
Schulsystem in Frankreich
Das französische Schulsystem unterscheidet sich in vielen Punkten vom deutschen Schultyp. So besuchen Kinder ab einem Alter von drei Jahren bereits die école maternelle. Statt Kindergarten heißt es also Vorschule. Die Jüngsten werden in der Vorschule betreut, erhalten Spielraum und bereiten sich auf die Grundschule vor.
Diese ist in der Regel ab einem Alter von sechs Jahren zugänglich und im Gegensatz zu Deutschland eine Ganztagsschule. Außerdem hat die französische Schulwoche in der école élémentaire nur vier Schultage.
Nach fünf Jahren erfolgt der Übertritt in die Gesamtschule, das collège. Diese wird von allen Schülerinnen und Schülern bis zur 9. Klasse besucht. Anschließend haben die Jugendlichen die Wahl zwischen Berufsschule, Berufsgymnasium und klassischem Gymnasium.
Studieren in Frankreich
In Frankreich gibt es rund 3.900 staatliche und private Hochschulen und Universitäten, von Ingenieur- und Wirtschaftshochschulen über Kunsthochschulen bis zu Graduiertenkollegs und Universitäten.
Wer an einer französischen Hochschule studieren möchte, muss für gewöhnlich einen Bewerbungsprozess absolvieren oder ein Dossier erstellen. Europäische Studierende können dies zum Beispiel mithilfe der Plattform Parcoursup.
Deutsche Studenten können ebenfalls die Möglichkeiten von Austauschprogrammen wie etwa Erasmus Plus nutzen oder beispielsweise an der deutsch-französischen Hochschule einen Doppelabschluss erwerben.
Fazit: Arbeiten in Frankreich
Die Industrienation Frankreich hat also einiges zu bieten und birgt besonders für Frauen und die Arbeitnehmerseite Vorteile, etwa hinsichtlich des Steuersystems oder der familienpolitischen Unterstützung und Karriereförderung. Wer auf dem französischen Arbeitsmarkt Fuß fassen will, sollte sich allerdings der Besonderheiten und der teilweise anderen Herangehensweise bewusst sein. Vor allem traditionell geprägte Unternehmen halten gerne an herkömmlichen Werten fest. Wichtig sind außerdem gute Sprachkenntnisse und interkulturelle Kompetenz: Nur mit gutem Französisch steht Arbeitnehmer*innen die Vielfalt des Arbeitsmarktes offen.
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Autorin: Antonia Grübl