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New Work: Definition, Konzept und Beispiele aus der Praxis

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Viele junge, kreativ aussehende Menschen tummeln sich in einem Co-Working-Space.

Durch das Coronavirus (offizieller Name: SARS-CoV-2), welches die infektiöse Atemwegserkrankung COVID-19 auslöst, hat sich das alltägliche Arbeitsleben stark verändert. Aufgrund von Kontaktbeschränkungen und Abstandsregeln müssen viele Aufgaben isoliert ausgeführt, Dienstreisen abgesagt und Meetings in den digitalen Raum verlagert werden. Millionen Menschen hierzulande sind ohnehin dazu gezwungen, im Homeoffice ihre beruflichen Tätigkeiten zu verrichten.

Tools wie Zoom, Microsoft Teams oder Slack, in vielen Unternehmen auch vor der Corona-Krise schon genutzt, sind daher in aller Munde, schließlich sind es gerade solche neuartigen Arbeitswerkzeuge, welche Bürokommunikation und Gruppenarbeit auch über viele Kilometer Entfernung hinweg ermöglichen. Viele Arbeitnehmer müssen sich zudem an die neuen Arbeitsbedingungen gewöhnen: Homeoffice und Vertrauensarbeit bedeuten mehr Freiheit, aber auch mehr Eigenverantwortung, und gerade Selbstmanagement und Zeitmanagement sind aktuell unverzichtbare Soft Skills.

Nicht wenige erwarten, dass solche Veränderungen der Arbeitswelt nachhaltig sein werden. Selbstverständlich sind derartige Entwicklungen nicht neu, sondern erhalten durch die Pandemie notgedrungen neue Impulse. Ein Begriff, der häufig im Zusammenhang mit der Evolution zu einer modernen Arbeitskultur auftaucht: New Work. Doch was ist damit überhaupt gemeint? Wie kann New Work konkret in einem Unternehmen aussehen? Und welche Vorteile und Nachteile birgt New Work? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigen wir uns in diesem Artikel.

Was ist New Work eigentlich?

Die Frage nach der Definition des Begriffs New Work lässt sich kaum eindeutig beantworten, denn bei New Work handelt es sich nicht um ein einheitliches Konzept mit klar festgelegten Merkmalen und Richtlinien, sondern vielmehr um einen Sammelbegriff für neuartige Arbeitsmodelle.

Der Ursprung von New Work reicht lange zurück: Der theoretische Hintergrund wurde Mitte der Siebzigerjahre vom österreichisch-amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann entwickelt. Bergmann sah die damalige Arbeitskultur (die auch in weiten Teilen noch mit der jetzigen übereinstimmt) als nicht zukunftsfähig an. Gründe: Globalisierung, Automatisierung, demografischer Wandel. Diese Aspekte sind auch heute weiterhin relevant, hinzu kommen nun Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. All dies führt dazu, dass ein großer Teil klassischer Lohnarbeit zur Erzeugung eines Produkts allmählich überflüssig wird. Somit stellt sich für den Arbeitnehmer von heute die Sinnfrage: Wieso will ich arbeiten?

Bergmann sah voraus, was die heutige Generation Y antreibt: Geld und Status sind häufig nicht mehr primäre Arbeitsmotive, sondern Selbstverwirklichung und Lebenszufriedenheit. Hieraus leiten sich die Kernwerte von New Work ab: Eigenständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft. Während die Ausprägungen von New Work also vielfältig sein und sich von Unternehmen zu Unternehmen unterscheiden können, orientieren sie sich dennoch alle an einer Grundphilosophie, die auf genannten gemeinsamen Idealen basiert.

Was bedeutet dieses Leitbild? New Work geht vor allem mit einer Aufwertung der Verantwortlichkeiten und Kompetenzen jedes Einzelnen einher: Mitarbeitern werden deutlich größere Entscheidungsfreiheiten und Handlungsfreiheiten eingeräumt, Kreativität und Innovation dadurch gefördert. Können klassische Firmenstrukturen noch mit Maschinen verglichen werden, wo jeder Arbeitnehmer als Zahnrad eine bestimmte Funktion an einer bestimmten Stelle erfüllt, so wird im New-Work-Modell ein Organismus zur Veranschaulichung des idealen Unternehmens herangezogen: Alle Bestandteile des Systems verwalten sich selbst, interagieren frei miteinander und entwickeln sich kontinuierlich weiter, ohne in fixen Rollen oder Vorgaben gefangen zu sein.

Arbeit soll dann im Dienste des Menschen stehen. Das heißt einerseits, dass eine harmonische Synthese von Privatleben und Berufsleben angestrebt wird. Das heißt aber auch: Jeder soll sich selbst seine Aufgaben suchen können. Schon Bergmann betonte damals: Jeder Mensch solle Arbeit verrichten, die er oder sie auch wirklich verrichten will. Heute gilt weiterhin: Jeder Mensch soll auch Ort und Zeit seiner Arbeit frei wählen können, ermöglicht durch den technischen Fortschritt. Demokratisierung, Digitalisierung, Dezentralisierung: Mit diesen Schlagworten wird New Work im 21. Jahrhundert beschrieben.

Freie Arbeitszeiten und flache Hierarchien: So kann New Work in der Praxis aussehen

Wie sieht New Work nun konkret aus? Vorneweg: Wie bereits erwähnt gibt es keinen Prototypen, der schlichtweg kopiert werden kann. Wie ein Unternehmen die Grundsätze von New Work realisieren kann und will, ist ihm letztendlich selbst überlassen. Wir wollen daher einige Beispiele vorstellen, wie New Work in der Praxis aussehen kann – aber nicht muss.

Freiheit fängt für viele vor allem bei den Arbeitszeiten an: Ausschlafen oder den Morgen nutzen, um das Kind zur Schule zu bringen; all dies ist im New-Work-Modell in den meisten Fällen möglich. Einen klassischen „Nine-to-five-Job“ – also eine Arbeit, die in einem festen Zeitraum (z. B. zwischen neun Uhr morgens und fünf Uhr nachmittags) bewältigt werden muss – gibt es dann nicht. Auch eine reguläre 40-Stunden-Woche ist bei weitem kein Muss mehr, tatsächlich stellen manche Unternehmen die Arbeitszeitkontrolle sogar gänzlich ein: Jeder darf kommen und gehen, wann immer er oder sie will, denn ob die notwendigen Aufgaben erledigt werden, dafür ist in diesem Modell schließlich jeder selbst verantwortlich. Folgerichtig können sich Arbeitnehmer dann oft auch frei aussuchen, wann sie Urlaub machen.

Diese Freiheit erstreckt sich zugleich auf den Arbeitsort: Ob im Homeoffice, im Büro oder vielleicht sogar in sogenannten Co-Working-Spaces, wo Mitarbeiter aus verschiedenen Unternehmen und Branchen nebeneinander arbeiten und im Idealfall voneinander profitieren können, – auch hier haben Arbeitnehmer freie Hand. Das ermöglicht größere Unabhängigkeit und Mobilität, die zum Beispiel dafür genutzt werden können, um auf einen festen Lebensmittelpunkt zu verzichten, was dann digitales Nomadentum genannt wird.

Damit das gelingt, sollte ein Unternehmen in Bezug auf Digitalisierung auf dem neuesten Stand sein. Auch die Nutzung aller technischen Möglichkeiten zur Organisation und Kommunikation kann also ein Merkmal von New Work sein. Videokonferenz statt Präsenzmeeting, Chatnachricht statt formeller E-Mail und eine überall verfügbare Cloud statt eines internen Speichersystems – all dies ist mit modernen Tools kein Problem mehr und führt zu besserem kooperativen und kollaborativen Arbeiten. Eng hiermit verbunden ist der Begriff der sogenannten Agilität, wenn ein Unternehmen flexibel, anpassungsfähig, dynamisch und selbstorganisiert operiert. Kennzeichen davon ist unter anderem ein projektbasiertes Arbeitssystem, in der Regel unter Nutzung agiler Methoden wie des Scrum-Modells. Hierunter wird ein System des Projektmanagements verstanden, das den Ablauf einer größeren Aufgabe in kleinere Kurzintervalle (sogenannte Sprints) unterteilt.

Damit Selbstorganisation gelingt, ist auch eine Änderung der Managementphilosophie erforderlich. Statt einer Befehlskultur mit Arbeitnehmern als Erfüllungsgehilfen werden flache Hierarchien und ein Teilhaberecht für jeden Mitarbeiter angestrebt. Manche Unternehmen entscheiden sich im Zuge von New Work sogar für eine noch radikalere Lösung: Die Abschaffung des Chefs. Zwar gibt es dann immer noch Geschäftsführer, diese geben aber keine direkten Anweisungen mehr. Damit sollen Angestellte über die Ideen ihrer Führungskräfte hinauswachsen können und Kreativität sowie unkonventionelles Denken gefördert werden. Alle Mitarbeiter sind gleichberechtigt und transparent am Entscheidungsprozess beteiligt. Das Modell der „Führung ohne Führungskraft“ wird auch Holokratie (im Englischen: holacracy) genannt.

Dieser basisdemokratische Ansatz führt dazu, dass sich zu jedem Thema interne Hierarchien herausarbeiten, die aber nicht mehr auf Berufstitel oder Status fußen, sondern sich vorwiegend durch Expertise begründen. Manche Unternehmen behalten das Konzept eines einzelnen Chefs bei, lassen diesen dann aber durch die Belegschaft wählen. Eine weitere Folge flacher Hierarchien: Einzelne und Gruppen aus unterschiedlichen Abteilungen arbeiten vermehrt zusammen, oftmals entstehen auch sogenannte Mixed Teams. Diese bestehen aus Festangestellten sowie externen Freelancern.

Einige Firmen experimentieren zudem mit einem Modell, wo sich jeder Mitarbeiter das eigene Gehalt selbst aussucht oder ein Fixeinkommen bzw. eine Einkommensspanne von einem eigens gewählten Gehaltsrat bestimmt wird – dies wird aber durchaus kontrovers diskutiert. Einzelne Unternehmen geben die Verantwortung für Neueinstellungen an die Basis weiter: Somit entscheiden dann die jeweiligen Teams, ob ein Kandidat eingestellt wird.

Sollte man New Work überall einführen? Vor- und Nachteile

Kann New Work überhaupt funktionieren? Verfällt ein Unternehmen nicht in Chaos oder Unproduktivität? Praxisbeispiele beweisen, dass diese Vorurteile meist nicht zutreffen. Tatsächlich kann die Arbeitsmotivation sogar zunehmen, weil Mitarbeiter das machen dürfen, was sie selbst gerne machen wollen. Durch New Work bieten sich deutlich mehr Möglichkeiten, eigene Ideen und Fähigkeiten effektiv einzubringen, und kreatives wie auch interdisziplinäres Arbeiten werden gefördert. Damit diese Freiheit gewinnbringend genutzt werden kann, bedarf es allerdings einer hohen Selbstdisziplin und eines guten Zeitmanagements. Nicht alle kommen mit vollkommener Eigenverantwortung zurecht, und manche Menschen werden durchaus gerne geführtNew Work passt also zumindest in absoluter Form nicht zwangsläufig zu jeder Persönlichkeit.

Ähnlich verhält es sich mit der verbesserten Work-Life-Balance: Viele genießen es, im Homeoffice zu arbeiten oder die Berufszeiten dem Privatleben anpassen zu können. Überwiegend führt ein flexibleres Zeitmodell auch zu verringertem Stress und einem gesünderen Lebensstil. Andere empfinden das Arbeiten zu Hause hingegen als einsam oder vermissen die Struktur, welche ein geregeltes Büroleben mit sich bringt. Zumindest dieses Dilemma kann oft mit Co-Working-Spaces gelöst werden. Problematisch ist für manche allerdings ein Phänomen, was als Work-Life-Blending bezeichnet wird: Das Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben, wodurch das Abschalten vom Beruf schwerfällt.

Indessen zeigen Umfragen, dass besonders die jüngere Generation ein großes Bedürfnis nach flexibler Arbeitsgestaltung empfindet. Daher kann New Work für Unternehmen auch ein Instrument sein, um gut ausgebildete Mitarbeiter zu gewinnen und zu behalten – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ein durchaus wichtiges Argument. Ebenso können technische Hilfsmittel, agile Unternehmensstrukturen sowie der Abbau von Bürokratie und Hierarchien zu einem signifikanten Zuwachs an Effizienz führen: Arbeitnehmer arbeiten mehr und schneller zusammen. Andere berichten hingegen vom Gegenteil: Das Vakuum, das die Beseitigung einer klaren Befehlskette mit eigens bestimmten Führungskräften hinterlässt, kann mit basisdemokratischer Kommunikation nicht immer ausreichend gefüllt werden. Unübersichtliche Projektorganisation kann dann zu Unklarheiten bezüglich Verantwortlichkeiten führen, Arbeitsprozesse verlangsamen sich und Teams müssen aufeinander warten.

So gelingt New Work

Ob Vorteile oder Nachteile am Ende überwiegen und New Work somit glückt oder scheitert, ist meist schlichtweg eine Frage der Umsetzung. Entgegen gängiger Annahmen kann New Work für jedes Unternehmen und jede Organisation relevant sein, selbst im Einzelhandel oder im Gesundheitssektor – auch Pfleger und Pflegerinnen in einem Krankenhaus können nämlich von höherer Eigenverantwortlichkeit und kürzeren Kommunikationswegen profitieren.

Was viele außerdem vergessen: New Work ist längst kein Modell der Zukunft mehr. Umfragen zufolge betreiben bereits fast zwei Drittel aller Firmen Initiativen zur Durchsetzung von Maßnahmen, welche mit der New-Work-Philosophie übereinstimmen. Umso bedeutender ist es daher, sich bereits im Vorhinein Gedanken darüberzumachen, wie solche Konzepte am besten ins Unternehmen eingeführt werden können.

Wichtig: Transparenz und Teilhabe beginnen schon in der Planung. New Work ist nur dann sinnvoll, wenn alle Mitarbeiter mit ins Boot geholt und die Veränderungen nicht von oben herab verfügt werden. Jedes Unternehmen ist individuell und benötigt somit ein individuell abgestimmtes Konzept. Empfohlen wird zudem, bereits im Voraus bestimmte Regeln und Richtlinien in einer Corporate Governance festzulegen. Gleichermaßen sollte darauf geachtet werden, dass Feedbackschleifen aufrechterhalten werden, damit kein Mitarbeiter das Gefühl hat, außen vor zu sein, ganz gleich wie ein Unternehmen sich letztlich intern organisiert. Auch wenn tatsächlich Hierarchien abgebaut werden sollten, heißt das in den meisten Fällen nicht, dass höheres Management überflüssig wird. Vielmehr verändert sich dessen Rolle: Anstatt konkreter Anweisungen sollte es Impulse geben, welche aber dennoch Raum für Selbstentfaltung und neue Ideen lassen, sowie eine Funktion als Coach, Motivator und Förderer einnehmen.

Bei der Umsetzung von New Work-Ideen ist also nicht nur entscheidend, dass alle technologischen und organisatorischen Vorkehrungen getroffen werden, die Evolution muss sich auch im Kopf aller Beteiligten vollziehen. Führungskräfte sollten bereit sein, Kontrolle und Macht abzugeben, und alle Mitarbeiter sollten entsprechend geschult werden, um auch unter veränderten Arbeitsbedingungen ihre Leistung abrufen zu können. Gerade das ist ein weiterer wichtiger Bestandteil von New Work: Ein verstärkter Fokus auf die Entwicklung jedes Einzelnen. Daher sollte ein fester Teil der Arbeitszeit für Weiterbildungsmaßnahmen aufgewendet werden, denn damit New Work gelingt, bedarf es vor allem Soft Skills: Flexibilität, Selbstständigkeit, Teamfähigkeit und Medienkompetenz. Die wichtigste Eigenschaft eines Arbeitnehmers im System New Work ist somit Lernbereitschaft.

 

Quellen:

Haufe

Manager Magazin

Spiegel Online

Welt Online

Zeit Online

Zukunftsinstitut.de