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Gorillas: Gehalt, Karriere & Jobs beim Lebensmittel-Lieferdienst

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Fahrradkurier mit schwarzer Rückentasche fährt an einem Bürogebäude entlang.

Der Gang in den Supermarkt kostet Zeit und ist während der Corona-Pandemie zudem mit einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden. Immer mehr Menschen entschließen sich deshalb, ihren Einkauf digital durchzuführen und benötigte Lebensmittel online zu bestellen. Einer der bekanntesten Lieferdienste für Konsumgüter ist Gorillas: Obwohl erst kürzlich gegründet, hat sich das Start-up hierzulande dank geringer Versandkosten und Wartezeiten in kürzester Zeit auf dem Markt etabliert.

Ungefähr 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten aktuell für das Unternehmen, damit hat es sich innerhalb eines Jahres zu einem der größten Arbeitgeber in der Lieferservice-Branche aufgeschwungen. Wir haben uns Gorillas daher genauer angesehen: Wie kam es zum schnellen Aufstieg? Welche Gehälter beziehen Kuriere? Und wie ist es eigentlich um die dortigen Arbeitsbedingungen bestellt? Mit diesen und anderen Fragen befassen wir uns in diesem Artikel.

In einem Jahr zum Milliardenunternehmen: Der Aufstieg von Gorillas

Sich selbstständig machen und mit einer eigenen Firma erfolgreich werden: Das ist wohl der Traum eines jeden Jungunternehmers. Wofür manche Unternehmer viele Jahre oder gar Jahrzehnte brauchen, das bringt Kağan Sümer hingegen in wenigen Monaten zustande. Inspiriert von ähnlichen Geschäftsmodellen im Ausland gründet Sümer gemeinsam mit seinem Businesspartner Jörg Kattner im Jahr 2020 die Gorillas Technologies GmbH.

Schon im Sommer des gleichen Jahres beginnt das in Berlin ansässige Start-up mit ersten Lieferungen. Das Prinzip ist simpel wie wohlbekannt – Konsumenten können Nahrungsmittel und andere aus dem Einzelhandel bekannte Alltagswaren bequem über eine App bestellen, und zwar zu denselben Preisen wie im Supermarkt. Ein ähnliches Modell mit Getränken verfolgt beispielsweise das Unternehmen Flaschenpost. Bei Gorillas fällt lediglich eine Liefergebühr in Höhe von 1,80 Euro an. Die georderten Waren sollen innerhalb von nur 10 Minuten vor der eigenen Tür stehen, zudem gibt es keinen Mindestbestellwert. Während andere Lieferdienste mit ihrem Service den wöchentlichen Großeinkauf ersetzen wollen, können Gorillas-Kunden das Angebot unabhängig von der Einkaufsmenge in Anspruch nehmen. Gerade für all diejenigen, die beim Kochen plötzlich bemerken, dass Tomaten oder Salz fehlen und dafür nicht eigens in den Supermarkt laufen wollen, ist diese Option verlockend.

Schnell stellen Geldgeber Finanzierungssummen in dreistelliger Millionensumme zusammen. Trotz noch nicht erfolgtem Börsengang kann das Unternehmen Anfang 2021 schon mit einer Marktbewertung von über einer Milliarde US-Dollar aufwarten – eine überaus seltene Errungenschaft, weswegen solche Start-ups auch als Unicorns bezeichnet werden. Was einst mit einem einzigen Lager in Berlin-Prenzlauer Berg begann, hat sich im Zeitraffer zu einem international agierenden Marktriesen entwickelt. Mittlerweile ist Gorillas in mehr als zwanzig deutschen Städten vertreten und hat zudem bereits ins europäische Ausland expandiert (Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Spanien). Erste Schätzungen erwarten für das Jahr 2021 einen Gesamtumsatz von etwa 150 Millionen Euro.

Damit das Unternehmen im Gedächtnis der Konsumenten verankert bleibt, kultiviert Gorillas ein modernes und hippes Markenimage. Dazu gehören nicht nur modisch gekleidete Kuriere und markige Verkaufssprüche wie „Faster than you“, sondern etwa auch Technomusik, die Berichten zufolge während der Arbeitszeiten durch die Lagerhallen des Start-ups tönen soll. Indessen hat die Reputation des im Eiltempo wachsenden Lieferdienstes bereits erste Kratzer in Kauf nehmen müssen: Um die versprochene Lieferzeit einhalten zu können, betreibt Gorillas eine große Menge an Kleinlagern mitten in der Innenstadt, doch nutzt dabei auch öffentliches Straßenterrain. Nach zahlreichen Beschwerden von Anwohnern über versperrte Gehwege sahen sich die örtlichen Ämter zu einer direkten Rüge gezwungen und leiteten erste Ordnungswidrigkeitsverfahren ein. Offen ist zudem, wie sich Gorillas gegen zunehmende Konkurrenz erwehren wird. Ob Flink, Getir, Bringmeister oder goPuff, immer mehr Unternehmen drängen in Deutschland auf den boomenden Lieferdienst-Markt.

Geld verdienen auf dem E-Bike: Jobs und Gehälter bei Gorillas

Damit eine Bestellung auch wirklich in zehn Minuten beim Kunden landet, benötigt es einer großen Menge an Fahrern und Fahrerinnen. Gorillas nennt jene Kuriere Rider: Gänzlich in Schwarz gekleidet, ist die Flotte oder Rider Crew, wie sie im unternehmensinternen Jargon bezeichnet wird, für die schnellstmögliche Zustellung der Ware zuständig. Wo andere Services auch auf Motorroller oder gar Autos zurückgreifen, benutzen Fahrer von Gorillas ausschließlich elektrisch betriebene Fahrräder. Diese werden vom Unternehmen zur Verfügung gestellt, hierzu kooperiert Gorillas mit dem Start-up GetHenry, welches die Rider mit E-Bikes versorgt. Zudem erhalten Fahrer gewollt modisch gestaltete Arbeitskleidung, ein Smartphone mit Datenverbindung müssen sie allerdings selbst mitbringen.

Rider können sowohl in Teilzeit als auch in Vollzeit arbeiten und erhalten einen festen Stundenlohn von 10,50 Euro. Wartezeiten werden zur Arbeitszeit hinzugerechnet, zudem kommt bei jedem Auftrag noch etwaiges Trinkgeld hinzu. Dieses kann – in Konformität mit allen pandemiebedingten Vorschriften – auch digital übermittelt werden. Zudem schüttet Gorillas in unregelmäßigen Abständen Boni aus, April 2021 wurden etwa eine Million Euro unter den Beschäftigten im operativen Geschäft aufgeteilt.

Zu diesen Mitarbeitern zählen nicht nur Rider, sondern auch Angestellte in Gorillas-Lagerhäusern. Mehr als 50 solcher Logistikzentren gibt es alleine in Deutschland. Um eine optimale Anbindung zu gewährleisten, befinden sich diese an innerstädtischen Knotenpunkten und sind somit zwar zentral gelegen, müssen dafür aber auch mit einer vergleichsweise geringen Nutzfläche auskommen. Daher nutzt Gorillas sogenannte Mikro-Fulfillment-Center: Hierbei handelt es sich um kleine Warenlager, wo das zu transportierte Gut mithilfe von technisch ausgeklügelten Transportsystemen automatisch aus dem Bestand zu den verantwortlichen Logistikmitarbeitern gebracht wird. Diese nehmen die einzelnen Bestellungen entgegen und kümmern sich um die Zusammenstellung der Lebensmittelsendung – Gorillas führt diese Tätigkeit unter dem Namen Picker. Sie verdienen ähnlich viel wie Kollegen und Kolleginnen aus der Rider Crew.

Darüber hinaus sind auch Mitarbeiter in der Berliner Unternehmenszentrale tätig. Gerade aufgrund des rasanten Firmenwachstums stellt Gorillas fortlaufend neue Beschäftigte ein, Bürojobs gibt es in folgenden Gebieten:

  • Business Intelligence & Data
  • Brand
  • Commercial
  • Customer Support
  • Engineering
  • Expansion
  • Finance
  • Growth
  • Legal
  • Operations
  • People
  • Product

 

Aktuelle Stellenangebote bei Gorillas:

Bruttogehalt:
Durchschnittliches Bruttogehalt bei 40 Wochenstunden

Streik und Streit: Öffentliche Beschwerden von Gorillas-Mitarbeitern

Nach außen hin präsentiert sich Gorillas als typisches Start-up: Innovativ, stylish und sozialbewusst. Einer der Punkte, die sich der Lieferdienst auf die Fahnen geschrieben hat, ist die angemessene Behandlung seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Auf der Firmenwebseite erklärt sich Gorillas in einem Manifest zu einem „fahrerzentrierten Unternehmen“, in öffentlichen Verlautbarungen wird zudem von festen, sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen gesprochen. Mit Verweis auf Krankengeld und bezahltem Urlaub stellt sich der Lieferant gegen die sogenannte Gig-Economy – damit ist ein Arbeitsmarktmodell gemeint, bei dem sich die Belegschaft größtenteils aus flexibel und kurzweilig angeheuerten Freiberuflern und geringfügig Beschäftigten zusammensetzt.

Inwiefern Gorillas diesen vollmundigen Selbstansprüchen gerecht wird, darf nach einer Reihe an Negativ-Schlagzeilen indes durchaus bezweifelt werden. Mehrfach machten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in öffentlichkeitswirksamen Arbeitskämpfen auf zahlreiche Versäumnisse aufmerksam: Zu den Vorwürfen gehören unter anderem Komplikationen bei der Lohnabrechnung, sodass Gehälter nur unvollständig oder verspätet ausgezahlt wurden. Durchgängig kritisiert wird auch die als unangemessen lang empfundene Probezeit von sechs Monaten, welche besonders schwer wiegt, da Rider und Picker zumeist lediglich befristete Ein-Jahres-Verträge erhalten.

Obendrein geriet das Start-up wegen mangelndem Arbeitsschutz in Verruf. Beschäftigte beklagen unhygienische und technisch veraltete Arbeitsmittel sowie E-Bikes, welche gängigen Standards der Verkehrssicherheit nicht genügen. Derart mangelhafte Ausrüstung habe bereits zu Arbeitsunfällen geführt, hinzu kommen Berichte über mangelnden Brandschutz in Lagerhallen und die unsachgemäße Aufladung von E-Bike-Batterien. Problematisch sind für viele Mitarbeiter zudem der stetige Zeitdruck und eine übermäßige Beladung der Rucksäcke – das Gewichtslimit liegt offiziell bei zehn Kilo, während manche Rider in der Realität mehr als das Doppelte durch die Stadt schleppen. Die Folgen sind unweigerlich Rückenschmerzen, nicht nur deshalb äußerten mehrere Angestellte in einem offenen Brief: „Wir sind keine Rennpferde, wir sind Fahrer.“

Den medialen Höhepunkt erreichten die Unstimmigkeiten zwischen Unternehmen und Belegschaft im Sommer 2021, als Mitarbeiter (auch aufgrund einer als willkürlich empfundenen Entlassung eines Kollegen) für mehrere Wochen die Arbeit niederlegten, um gegen die schlechten Bedingungen zu protestieren. Solche spontanen Arbeitsniederlegungen werden auch wilde Streiks genannt und sind eigentlich nicht zulässig – die unzufriedenen Gorillas-Beschäftigten schreckte das nicht ab. Im Juli schaltete sich schließlich gar Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ein und empfahl im Gespräch mit Ridern die Gründung eines Betriebsrats. Ohnehin haben sich manche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bereits informell im Gorillas Workers Collective organisiert, welches über Twitter regelmäßig Missstände anprangert.

Das Start-up selbst gelobt Besserung und gibt zu verstehen, es unterstütze die Bildung eines Betriebsrates uneingeschränkt, auch wenn es bei einer früheren Betriebsratswahl zu Unstimmigkeiten gekommen war. In einem Aktionsplan wurden erste Verbesserungen wie ein neuartiges Schichtplanungstool und eine Erhöhung des Trinkgeldlimits eingeleitet, den Protestierenden geht das allerdings nicht weit genug. Firmenvater Sümer gab zu, interne Strukturen hätten nicht mit dem rapiden Unternehmenswachstum Schritt gehalten, doch hielt gleichzeitig an der Überzeugung fest, Gorillas behandle seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht schlecht. Tatsächlich üben viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ihre Tätigkeit zweifelsohne gerne aus, wie ein Blick auf Bewertungsportale im Internet zeigt. Gerade die Arbeit auf dem E-Bike macht den Ridern Spaß, und dank Trinkgelder und zeitlicher Flexibilität handelt es sich für viele Teilzeitbeschäftigte um einen attraktiven Nebenjob. Mitarbeiter aus der Zentrale schätzen zudem die Möglichkeit, am schnellen Wachstum eines dynamischen und multikulturell ausgerichteten Unternehmens teilhaben zu können. Dass dennoch an vielen Orten großes Verbesserungspotenzial besteht, damit das Versprechen der zehnminütigen Lieferzeit nicht auf Kosten der Rider eingehalten wird, ist angesichts der Vielzahl an publik gewordenen Vorwürfen aber ebenso nicht von der Hand zu weisen. Es darf mit Spannung beobachtet werden, wie Gorillas diese Herausforderung in der Zukunft meistert.

Quellen:

Business Insider

Capital

Glassdoor

Gorillas

Kununu

OMR

Spiegel Online

Tagesspiegel

 

Autor: Michel Vo